Der Schutz der Honigbiene

Anfang Februar 2020 hatte die Ortsgruppe des NABU Neustadt am Rübenberge zu einem Vortrag des Biologen und Bienenforscher Torben Schiffer eingeladen. Ich hatte diesen Vortrag mit einem Freund zusammen besucht. Wir beide sind Naturfreunde wie auch viele andere Besucher im gut gefüllten Saal der Mensa der KGS Neustadt; weniger als die Hälfte der Zuhörer sind Imker, wie der Referent zu Beginn seines Vortrags durch eine Abfrage ermittelt.

Aufgerüttelt durch die Medienmeldungen der letzten Jahre, wonach die Bestände der Honigbiene weltweit durch Pestizide und den Parasiten Varroa-Milbe dezimiert worden seien und Mensch und Pflanze die Honigbiene doch als einen der wichtigsten Bestäuber von Blütenpflanzen benötigen, hatten sich in unserem Land viele Menschen als neues Hobby die Imkerei erkoren “zum Schutz der Honigbiene”, doch zumeist auch durch die eigene Lust auf Honig.

Das das mit dem “Bienenschutz durch Imker” pauschal gar nicht so stimmt, ist den Zuhörern in einem vierstündigen Vortrag vermittelt worden.

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Torben Schiffer

Es war für mich spannend von der ersten bis zur letzten Minute. Eine für mich riesige Menge an Sachkunde zum Thema wurde uns Zuhörern vermittelt, gespickt auch mit zahlreichen Videos und Emotionen. Auf dem Heimweg und noch Tage danach hatte ich angeregt mit meinem Freund diskutiert. Unser Fazit: Wir wollen eine Artenschutz-Honigbienen-Nisthöhle bauen und bei uns im Garten aufhängen. Doch dazu später mehr.

Den wesentlichen Inhalt des Vortrags zitiere ich nachstehend aus einer Publikation des Referenten:

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Lust auf Honig

Müssen Honigbienen aus Profitgier sterben?

  • Viele Imker glauben, die größte Bedrohung ihrer Bienen ist die Varroamilbe
  • Die Milbe wird jedoch erst zur Gefahr, wenn Bienen ohnehin geschwächt sind
  • Würden die Tiere artgerecht gehalten, könnten wir Entwarnung geben

Die größte Bedrohung der Honigbiene, so heißt es, ist die sogenannte Varroamilbe. Dabei ist es maßgeblich die nicht artgerechte Haltung und Behandlung durch uns Imker, die die Milben gefährlich macht. Auslöser dafür ist auch unser Hunger nach Honig.

Es stimmt: Die blutsaugenden Milben schwächen die Bienen nicht nur, sie infizieren sie auch mit Krankheiten. Jedes Jahr beklagen Imker Völkerverluste von teilweise mehr als einem Drittel ihres Völkerbestands – obwohl sie ihre Bienen aufwendig mit Ameisensäure behandelt haben. Immer wieder ist deshalb vom Bienensterben die Rede. Und nichts scheint zu helfen – auch die Säurebehandlung schützt längst nicht mehr vor großen Verlusten. Dennoch wird immer weiter gesprüht. Nach dem Motto: Viel hilft viel. Die Bienen sterben trotzdem.

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Ameisensäure beschädigt die Honigbienen in unverantwortlicher Weise

Niemand kommt auf die Idee, dass die eingesetzten Mittel ein Teil des Problems sind. Doch dieses Problem fängt bereits viel früher an: bei der Haltung der Bienen. Ich kenne viele Imker, die sich dieses Hobby aus idealistischen Gründen ausgesucht haben. Sie wollten den Bienen dabei helfen, zu überleben. Doch häufig erreichen sie das Gegenteil. In ihrer Ausbildung lernen Imker, wie sie so viel Honig wie möglich produzieren, aber nicht, wie sie Bienen artgerecht halten. Beides hat nichts miteinander zu tun. Wir halten Bienen heute als reine Melkkühe. Und genau das wird unseren Honigbienen zum Verhängnis – nicht die Varroamilbe. Ich erkläre Ihnen, wieso.

Wir nehmen der Biene das Einzige, was sie gesund macht

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Das erste Problem ist die Behausung der Bienen. Unsere Honigbienen leben in Kästen aus Styropor – oder in Holzkästen ohne Isolierung, meist werden Gitterböden verwendet. Die Bienen müssen, um den Winter überleben zu können, Wärme produzieren. Sie verbrauchen dabei nicht nur extrem viel Energie, sondern sie schwitzen und atmen Wasser aus. Die Luftfeuchtigkeit in dem Bienenstock steigt. In den kalten Ecken der Kästen beginnt es, auf den Waben zu schimmeln. Sobald der Schimmel dort zu sehen ist, ist er auch auf jeder anderen Wabe nachweisbar. Die Bienen öffnen diese mit ihren Mundwerkzeugen und infizieren sich. Das Einzige, das ihnen bei einer solchen Infektion helfen könnte, ist der Honig. Denn er wirkt nahrhaft, antibakteriell und antimykotisch, also auch bei Pilzerkrankungen. Doch den nehmen wir den Bienen weg und ersetzen ihn durch Zuckerwasser. Honig enthält Vitamine, Proteine, Aminosäuren und Mineralstoffe – genau die Baustoffe, die für die Zellerneuerung notwendig wären. Zuckerwasser enthält nichts davon. Auf diese Weise verhindern wir, dass die Bienen gesunden können.

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Zusätzlich wirken die vom Schimmel gebildeten Toxine immunsupressiv, das heißt, sie unterdrücken eine Reaktion des Immunsystems. Beißt die Varroamilbe die Bienen nun, überträgt sie Viren und Bakterien auf die geschwächte Biene. Zur Bekämpfung setzen Imker auch organische Säuren ein, zum Beispiel die Ameisensäure. Sie schädigt aber nicht nur die Varroamilbe, sondern auch jede einzelne Biene. Wenn die Bienenvölker dann sterben, wird stets der Milbe die Schuld zugewiesen, meist hat sie jedoch wenig damit zu tun.

Der Großteil der Milben könnte beim Schwärmen davongetragen werden

Das massenhafte Auftreten der Varroamilbe wird vor allem von der Honigwirtschaft, also vom Imker selbst, verursacht. Bei wild lebenden Honigbienen, die in Baumhöhlen leben, wird die Milbenpopulation durch natürliche Prozesse in Schach gehalten. Das Brutfeld ist aufgrund des begrenzten Raums meist viel kleiner als in menschlichen Beuten, sodass die Milben gar nicht so viele Nachkommen erzeugen können. Zudem wird ein Großteil der Milbenpopulation durch die jährlichen Schwärme mit hinausgetragen. Durch die nach dem Schwarm stattfindende Brutpause gestalten sich die Milben physiologisch um und werden zunächst unfruchtbar. Diese Unfruchtbarkeit wirkt auch noch etwa zwei Generationen über die Brutpause hinaus. In dieser Zeit vermindert sich die Milbenpopulation auf natürliche Art um etwa 1 Prozent pro Tag. Nach der etwa achtwöchigen Reproduktionspause haben die Varroamilben in der Regel nicht genügend Zeit, um eine Populationsgröße zu erreichen, die den Bienen gefährlich werden und zum Tod führen kann.

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Bienen schwärmen – Foto: Johann Fischer

Die natürliche Isolierung der Baumhöhlen verhindern zudem, dass sich Wabenschimmel bildet. Um die Bienen herum entwickelt sich ein ganzes Ökosystem mit Hunderten von Insekten, Mikroorganismen und Milben – ja, auch der Varroamilbe. In der Imkerei wird dieses Ökosystem systematisch verhindert, indem man die Stöcke desinfiziert und Bienengemüll hinausfegt. Zu diesem stabilisierenden Ökosystem gehören auch die „Putzertiere“ der Bienen, die Bücherskorpione, welche ebenfalls die Varroamilben jagen und fressen. Weltweit sind diese ameisengroßen Pseudoskorpione in wild lebenden Bienenvölkern zu finden. Sie bekämpfen Bienenschädlinge und fressen sie. Leider haben wir durch die regelmäßig eingesetzten Chemikalien und die modernen, zu feuchten Stöcke die gesamte Mikrofauna mitsamt der Bücherskorpione flächendeckend ausgelöscht, ohne, dass etablierte Bienenforschungsinstitute oder Imker selbst überhaupt Notiz davon genommen haben. Als ich im Jahre 2006 meine Forschungen zum Bücherskorpion begann, waren die Tierchen bereits seit Jahrzehnten in Vergessenheit geraten. Aber nicht nur die Mikrofauna bekämpft die Varroamilben auch die Bienen selbst sind dazu durchaus in der Lage.

In meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Würzburg habe ich wild lebende Bienen untersucht. Der Milbenbefall war deutlich höher. Es fanden sich deutlich mehr tote Milben im Gemüll als in der Imkerei. Doch zeigten diese Milben Bissspuren. Sie wurden von den Bienen totgebissen. Es ist also möglich: Bienen sind resistent. Sie können sich gegen ihre Schädlinge wehren. Allerdings benötigen sie dafür naturorientierte Haltungsformen.

Nur ein Umdenken der Imker kann die Biene retten

Wollen Imker etwas für ihre Bienen tun, müssen sie vom Nutztierbesitzer zum Halter werden. Bienen können überleben. Der erste Schritt ist, sie in eine isolierte, der Baumhöhle ähnlichen Behausung umzusiedeln. Der zweite Schritt liegt darin, ihnen nicht ihre wertvolle Nahrung zu klauen. Verzichtet man auf die Massenproduktion von Honig, kann man die Bienen zudem wieder schwärmen lassen.

Um viel Honig zu produzieren, benötigen Imker einen großen Stock. Durch das Schwärmen formiert sich ein Bienenvolk jedoch zu mehreren kleineren Tochtervölkern. Zugunsten des Honigertrags versuchen Imker, das zu unterbinden.

Wenn wir alle umdenken, wenn Imker zu Bienenhaltern werden, wenn die Bienengesundheit und nicht der Honigertrag im Fokus stehen, können Bienen überleben. Wir können problemlos ohne oder mit sehr viel weniger Honig (über-)leben, ohne die Bestäubungsleistung der Bienen wäre jedoch unser gesamtes Ökosystem in Gefahr. Nur mit den Honigbienen haben wir auch Bestäuber, die unsere Nahrung sichern können.

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Zeidler in Osteuropa

Neues Denken

Die Lösung: Eine künstliche Baum-Nisthöhle

Artgerechte Tierhaltung bezeichnet Formen der Tierhaltung, bei denen an die ursprünglich natürlichen Lebensbedingungen der Tiere erinnert wird und auf bestimmte angeborenen Verhaltensweisen der Tiere Rücksicht genommen wird. So werden einige artspezifische Bedürfnisse der Tiere stärker berücksichtigt als bei der Massentierhaltung. 

Alle derzeitigen Formen der (modernen) Imkerei klammern die ursprünglichen, natürlichen Lebensbedingungen der Bienen weitestgehend aus. Die Honigbienen haben sich im Laufe ihrer 45 Millionen Jahre andauernden Evolution an das Leben in Baumhöhlen angepasst. Diese spezifischen Habitate bieten den wildlebenden Honigbienen noch heute einen perfekten Lebensraum.

Nachhaltigkeit bedeutet, dass eine Spezies unter natürlichen, artgerechten Bedingungen und ohne jegliche menschliche Eingriffe überlebensfähig ist.

Der Schiffer-Tree ist eine gemeinnützige, „open source“ Baumhöhlensimulation! Er wurde konstruiert, um gefährdeten Wildtieren wie Honigbienen, Fledermäusen und Hornissen einen artgerechten und geschützten Lebensraum (zurück) zu geben.

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Schiffer-Tree

Eine Baumhöhle entspricht einem Superenergiesparhaus

„Alle Leistung und alles Gedeih des Biens ist von der Wärme abhängig. Wärme ist für den Bien ebenso wichtig wie Nahrung.“ (Johann Thür –Nestduftwärmebindung 1946).

Bienen erzeugen die lebensnotwendige Wärme, durch die Verstoffwechselung von Zucker. Dafür müssen sie weit über den eigenen körperlichen Bedarf hinaus Zucker konsumieren, um ihn dann, anhand von Muskelkontraktionen, in Wärme zu verwandeln. Jedes bisschen Wärme, das den Bienen verloren geht, muss von Ihnen nachproduziert werden. In den ungünstigen Geometrien der modernen Imkerei werden bereits diese einfachen Zusammenhänge ignoriert. Während ein Baumhöhlenvolk mit kräftesparenden 2kg an Wintervorrat auskommt (für 6 Monate), benötigt ein Bienenvolk in einer Standardbeute etwa 20kg Winterfutter. So wundert es nicht, dass auch der Totenfall im Winter in den Standardbeuten ein Vielfaches höher ist, als in artgerechten Geometrien. Die Bienen werden buchstäblich für den schlechten Wärmehaushalt der Beuten verheizt, denn ein erhöhter Stoffwechsel bedingt auch eine schnellere Alterung und somit eine kürzere Lebensdauer jeder Einzelbiene.

Merkmale der künstlichen Baumhöhle

Der Schiffer-Tree wurde entsprechend verschiedenster Forschungsergebnisse für den Bien (Bienenschwarm, Bienenstaat) entworfen. Für das Innenraumklima des Hohlraums (Hohlzylinder) wurde ein Volumen von zirka 40 Litern als optimal ermittelt, für die Klimatisierung durch aufsteigende Wärme eine Höhe von zirka 110 Zentimeter und für die Wärmedämmung eine Mindest-Holzwandstärke von 6 Zentimeter. Boden und Decke im Innenraum sollten eine Außenwölbung besitzen (die ersten Exemplare des Schiffer-Tree hatten plane Boden und Decke). Das Flugloch im unteren Höhlenbereich hat einen Durchmesser von 5 Zentimeter, das den Bienen ein Einfliegen ohne Berührung des Eingangs der Nisthöhle ermöglicht

Persönliches Fazit:

Wie bereits oben gesagt: Wir wollen eine Artenschutz-Honigbienen-Nisthöhle bauen und bei uns zuhause im Garten aufhängen.

Wir wollen uns dabei an den von Herrn Schiffer vermittelten Forschungsergebnissen orientieren und eine Nisthöhle aus einem natürlichen Baumstamm heraus arbeiten. Wir werden an dieser Stelle zu gegebener Zeit dazu berichten.

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Buchempfehlung

Alle, die an weiterer Information zum Thema interessiert sind, ist die Lektüre des Buches von Torben Schiffer zu empfehlen, welches Anfang April 2020 erscheinen soll:

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ISBN-10: 3818609241
ISBN-13: 978-3818609245

Seit 45 Millionen Jahren tragen staatenbildende Honigbienen einen Großteil unseres Ökosystems auf ihren Flügeln. Die natürliche Auslese gewährleistete, dass nur die bestangepassten Bienenvölker diese lange Evolutionsdauer überstanden. Torben Schiffer dokumentiert, wie und warum die faszinierenden Insekten auch heute in der Natur fernab menschlicher Eingriffe überleben, und stellt dabei die tradierten imkerlichen Haltungsbedingungen der freien Lebensweise gegenüber. Der Autor plädiert so eindringlich wie überzeugend für ein Artenschutzprogramm dieser Schlüsselspezies. Auf Grundlage seiner Beobachtungen erstellte er das weltweit erste Konzept der artgerechten, behandlungsfreien Bienenhaltung.

Literatur: Schiffer, Torben: Der größte Feind der Honigbienen ist die Imkerei selbst; Evolution der Bienenhaltung (amazon)

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